Nachhaltige Pkw-Klimaanlagen sind seit dem Erlass der EU-Richtlinie 2006/40/EG Gegenstand einer hitzigen und hochpolitischen Debatte. Im Mittelpunkt des auf EU-Ebene geführten Kühlmittelstreits, der den Spitznamen „Cool War“ trägt, steht das nächste Kältemittel, das in Autoklimaanlagen eingesetzt werden soll.

Der Hintergrund: Die EU-Richtlinie untersagt den Einsatz des Kältemittels R134a in Pkw-Klimaanlagen ab dem 1. Januar 2017 und regelt, dass in der EU verkaufte Neuwagen in der Übergangszeit mit einem Kältemittel mit einem geringen Treibhauspotenzial ausgestattet werden müssen. Ab 2011 war die Verwendung von Kältemitteln mit einem Treibhauspotenzial von über 150 in Neufahrzeugen verboten.

Im Jahr 2007 sprachen sich die damals ad hoc ins Leben gerufene deutsch-skandinavische„Alliance for CO2 Solutions“und ihre Unterstützer sowie Wissenschaftler, NGOs und Wirtschaftsführer dafür aus, dass die Automobilindustrie chemische Verbindungen wie R134a, die zur globalen Erwärmung beitragen, mit dem natürlichen Kältemittel Kohlendioxid (CO2/R744) ersetzen solle.

Das Bündnis argumentierte, dass durch diesen Schritt der Schadstoffausstoß der Fahrzeuge um 10 % und die globalen Treibhausgasemissionen um insgesamt 1 % reduziert würden. Durch den Einsatz der CO2-Technologie auch in anderen Bereichen, wie etwa der gewerblichen und industriellen Kältetechnik sowie in Wärmepumpen für die Warmwasserbereitung etc., könnten sogar bis zu 3 % des weltweiten Treibhausgasausstoßes abgebaut werden.

Allerdings hatten auch die Gegner einer CO2-basierten Lösung gute Argumente: Ein „vollkommen natürliches“ Kältemittel wie z. B. das von Greenpeace entwickelte „Greenfreeze“, welches auf einer gereinigten Butan/Propan-Mischung (Kohlenwasserstoffkältemittel) basiert, übersteige die Wirksamkeit von Kältemitteln wie etwa R134a und könne daher bereits in kleinen Mengen effizient eingesetzt werden.

Außerdem müssten Anlagen bei der Verwendung von reinen Kohlenwasserstoffkältemitteln, die sogar mit den bis 1998 zulässigenFreon-gekühlten Autoklimaanlagen „abwärtskompatibel“ sind, einfachnur umgebaut werden, wodurch ihre Effizienz gesteigert und eine weitere Freisetzung von schädlichem R134a und R12 (Freon) in die Atmosphäre verhindert würde.

Im Gegensatz dazu müssen Pkw-Klimaanlagen, bei denen R744 eingesetzt wird, komplett neu konzipiert werden, um einem Druck jenseits von 100 bar standzuhalten. Vorhandene Systembauteile wie Dichtungen, Schläuche, Ventile und sogar Kompressoren wurden nicht für den Einsatz unter solchen Bedingungen entwickelt.

Glücklicherweise gibt es eine weitere Alternative: Als Antwort auf die 2006 erlassene Richtlinie entwickelten die US-Chemiekonzerne DuPont und Honeywell gemeinsam das Kältemittel 2,3,3,3-Tetrafluorpropen oder auch HFO-1234yf (R1234yf). Es handelt sich dabei um die aktuell einzige marktreife Alternative zu R134a (Stand 11/2016).

R1234yf erfüllt das vorgeschriebene Treibhauspotenzial von maximal 150 problemlos. Zudem beträgt seine mittlere atmosphärische Lebensdauer circa elf Tage; die Berechnung des CO2-Äquivalents (die mittlere Erwärmungswirkung eines Stoffs in der Regel über einen 100-Jahre-Zeitraum im Vergleich zu Kohlendioxid) anhand des sogenannten „Life Cycle Climate Performance“-Modells bescheinigte, dass es sich um „das nachhaltigste Kältemittel für den weltweiten Einsatz“ handelt. Das Berechnungsmodel wurde von der US-Umweltbehörde EPA abgesegnet.

Jedoch machte sich nach der Einführung von R1234yf schnell eine wachsende Besorgnis bezüglich seiner Entflammbarkeit breit, welche sich im Jahr 2012 bestätigte: Bei einem Test von Mercedes-Benz im Herbst 2012 ging das Kältemittel im Motorraum in Flammen auf. Danach setzte der Stuttgarter Autobauer in der Entwicklung auf das nicht brennbare R744 und weigerte sich jahrelang ausdrücklich, R1234yf einzusetzen. Mit Billigung des Kraftfahrbundesamtes wurde weiterhin das klimaschädlichere R134a verwendet, was die EU-Kommission im Januar 2014 veranlasste, gegen die Bundesregierung ein Verfahren wegen der Verletzung von EU-Recht einzuleiten.

Inzwischen hat Daimler eingelenkt und benutzt das Honeywell-Dupont-Kältemittel wieder; um das Brandrisiko zu minimieren, bauen die Stuttgarter ein eigens entwickeltes „Kühlsystem“ ein, welches erhitzte Teile im Motorraum bei einer durch einen Unfall ausgelösten Evakuierung der Klimaanlage mit dem Edelgas Argon herunterkühlt. Mit der nennenswerten Ausnahme der E- und S-Klasse wird in allen Neufahrzeugen von Mercedes-Benz ab Januar 2017 das umstrittene R1234yf eingesetzt: Die E- und S-Klasse werden hingegen als erste Serienfahrzeuge mit Klimaanlagen ausgestattet, die CO2 als Kühlmittel verwenden.

Neben der Entwicklungsdauer sind die Kosten für die Überarbeitung der kompletten Systeme sowie der Zeitaufwand für ausführliche Testreihen weitere Gründe, warum zunächst nur die obere Mittelklasse und die Oberklasse mit CO2-Klimaanlagen ausgestattet werden.

Aufgrund des in der Anlage bestehenden extrem hohen Systemdrucks und dem Erfordernis einer optimierten Anordnung der Bauteile im Motorraum musste das System komplett neu aufgesetzt werden. Besondere Aufmerksamkeit galt dabei der Leistungsfähigkeit von Kondensator, Verdampfer, Rohren, Schläuchen und Dichtungen bei einem deutlich erhöhten Betriebsdruck.

Während der Entwicklung war die genaue Messung des Leitungsdrucks mit Drucktransmittern an kritischen Stellen in der Klimaanlage von entscheidender Bedeutung, um die Integrität des Systems sicherzustellen; ein Druckabfall gäbe einen ersten Hinweis auf das Versagen eines Bauteils wie z. B. einer Dichtung. Ein solches Versagen würde die Neukonstruktion der Anlage erforderlich machen. Die genaue Messung des Druckverlusts durch den Verdampfer war auch wichtig, um die Designparameter und das Leistungsverhalten der Komponente(n) zu überprüfen.

Da die meisten Systembauteile im Zuge der Neukonzeption der Klimaanlage jedoch stark geschrumpft sind, war absehbar, dass sich die Platzierung eines Drucksensors an genau der richtigen Stelle schwierig gestalten würde. Nichtsdestotrotz konnte das Problem durch den Einsatz von qualitativ hochwertigen piezoresistiven Drucksensoren in der Entwicklungsphase schnell behoben werden und das Projekt rechtzeitig zur Markteinführung im Januar 2017 abgeschlossen werden.