Komfortabler als ein Rolls-Royce, besser als ein Rennwagen: Das aktive Fahrwerk wird erwachsen
Colin Chapman, seines Zeichens Chefingenieur und Gründer von Lotus, gilt in Rennsportkreisen als Automobilvisionär, denn die Technikwunderwelt Formel 1verdankt ihm zwei bemerkenswerte Errungenschaften: Die Ausnutzung des „Bodeneffekts“ und die Entwicklung der „aktiven Federung“ (auch aktives Fahrwerk genannt). Beides wurde zwar später in der Formel 1 verboten, aber für Straßenfahrzeuge übernommen und entwickelt.
Bereits die ersten straßentauglichen Ausführungen der auf Chapman zurückzuführenden aktiven Federung wiesen gegenüber ihren semi-aktiven Pendants beträchtliche Vorteile auf.
Jedoch kostete das frühe Lotus-System, das Hydraulikzylinder verwendete, um die Radhöhe zu kontrollieren, Tausende von US-Dollar, wog 150 kg mehr und benötigte etwa vier kW, um die Hydraulikpumpe (maximaler Betriebsdruck von 140 bar) des Systems zu betreiben. Zudem war das System nicht reaktionsschnell genug, um die auf den meisten Straßen vorhandenen kleinen harten Fahrbahnunebenheiten auszugleichen.
Keine aktive Federung ohne genaue Druckmessungen in der Entwicklungsphase
Bei dem Versuch, die Unebenheiten mithilfe der Entwicklung eines hydraulisch gesteuerten Federungssystems auszugleichen, wurde eines klar: Um das System zu optimieren, musste man bei der Steuerung und Reaktion der Aktoren, welche die Einstellung der Räder bewirken, ansetzen. Denn diese mussten nicht nur die Kräfte erzeugen, die das Fahrzeug beim Durchfahren von unwegsamem Gelände und in der Kurvenfahrt unterstützen, sondern die Reaktion muss auch in Sekundenbruchteilen erfolgen: Entscheidend hierfür waren der Betriebsdruck der Anlage und die Steuerung des Drucks.
Um die von den Ingenieuren festgelegten Performance-und Reaktionsziele zu erreichen, mussten mehrere Hürden überwunden werden:
- Die für den Antrieb des Systems verwendete Hydraulikflüssigkeit ändert ständig ihre Temperatur und Viskosität, was sich auf den Förderdruck auswirkt.
- Eine präzise Steuerung des entsprechenden Drucks stützte sich auf hochgenaue Echtzeitmessungen des Leitungsdrucks unter Einschluss einer Temperaturkompensation.
Die bei der Entwicklung benutzen Drucksensoren mussten Laborqualität aufweisen und sehr schnell auf Druckänderungen reagieren können. Auch heutzutage vermag es nur eine Handvoll Hersteller, qualitativ hochwertige Bauteile zu produzieren, welche die von der Industrie geforderten Standards erfüllen.
Obwohl die hydromechanischen aktiven Fahrwerke exponentiell verbessert wurden, verschlang die Erreichung der geforderten Reaktionszeiten Unsummen, weshalb diese Systeme nur einigen Sport-und Luxusmodellen der Oberklasse vorbehalten blieben.
Mit der Smart Control (intelligentes Steuergerät) hält die intelligente Federung Einzug
Es dauerte nicht lange, bis Hersteller damit begannen, elektronische Prozessoren und Steuergeräte für die präzise Steuerung der Hydraulik zu verwenden, welche die Aktoren betätigt. Dadurch konnten Ingenieure den Druck auf die einzelnen Aktoren präzise steuern und infolgedessen die Reaktionszeit und Leistungsfähigkeit unter unterschiedlichsten Betriebsbedingungen verbessern.
Das beschreibt die Funktionsweise des von Mercedes Benz entwickelten Magic Body Control (MBC)-Fahrwerks. Eine an der Windschutzscheibe im Bereich des Innenspiegels eingebaute Kamera erfasst den Straßenverlauf vor dem Fahrzeug, analysiert Fahrbahnmängel sowie Unebenheiten und speist diese Daten direkt in das Steuergerät des Active Body Control (ABC)-Systems ein. Die Kamera erkennt und vermisst die vor dem Fahrzeug liegenden 4,5 bis 13,5 Meter und kann Unregelmäßigkeiten ab einer Höhe von 10 mm messen. So „weiß“ das System Sekundenbruchteile im Voraus genau, welche Bedingungen die Reifen erwarten. Dadurch hat die aktive Federung Zeit, die Radaufhängung passend einzustellen.
Mithilfe der von der Kamera generierten Daten kann das MBC-Fahrwerk ein Rad vor dem Einfahren in ein Schlagloch sogar „einfahren“ und dadurch verhindern, dass das Rad vollständig in dem Loch versinkt. Das trägt natürlich sehr dazu bei, den Stoß abzuschwächen und die Fahreigenschaften zu verbessern.
Obwohl die aktive Federung in die Architektur der größeren Fahrerassistenzsysteme (FAS; englisch ADAS) integriert wurde, verlassen sich viele Systeme immer noch auf die präzise Kontrolle des hydraulischen Leitungsdrucks, um das gewünschte Fahrverhalten zu erreichen. Die Grundlage dafür war und ist ein qualitativ hochwertiger Drucksensor: Er lieferte den Entwicklungsingenieuren die genauen Daten, auf denen die Algorithmen zur Steuerung der modernen aktiven Federungssysteme beruhen.