Miniaturisierung, Leistungssteigerung, Verbrauchsreduktion: Mobile Klimatechnik mit Kohlendioxid

Miniaturisierung, Leistungssteigerung, Verbrauchsreduktion: Mobile Klimatechnik mit Kohlendioxid

Kohlendioxid ist schon seit über 150 Jahren als Kältemittel bekannt. Dass es erst jetzt Einzug in die mobile Klimatechnik hält, liegt am vom Gesetzgeber ausgeübten Druck zur Reduzierung der Treibhausgase sowie an besseren technischen Möglichkeiten. Dabei spielt die Druckmessung eine zentrale Rolle.

Fluorierte Treibhausgase mit einem Treibhauspotential über 150 in Autoklimaanalgen sind seit Januar 2011 durch eine EU-Richtlinie verboten. Damit muss das bis dahin gebräuchliche Kältemittel Tetrafluotan (R134a) ersetzt werden. Da CO2 das Klima 1.430-mal weniger schädigt als R134a, bot es sich dank seiner hohen Kälteleistung und guter chemischer Eigenschaften als Alternative an.

Die Argumente für CO2 als Kältemittel sind nicht von der Hand zu weisen:

  • Als natürlich vorkommender Stoff ist es weltweit unbegrenzt und kostengünstig verfügbar.
  • Es ist weitaus weniger schädlich als andere Kühlmittel wie R134a, R404A, R407C und andere.
  • Als Nebenprodukt industrieller Prozesse muss es nicht aufwendig hergestellt werden.
  • Im Gegensatz zu anderen neuen Kühlmitteln ist es toxikologisch sehr gut erforscht.
  • Es ist weder giftig noch brennbar und stellt somit ein geringeres Gefährdungsrisiko dar als andere Mittel.
  • Es ist mit allen gängigen Werkstoffen verträglich.
  • Es weist eine sehr hohe volumetrische Kälteleistung auf und ist auch für Wärmepumpen geeignet.

Der Wechsel von R134a zu R744 (unter dieser Abkürzung wird CO2 als Kältemittel geführt) kann allerdings nicht ohne Weiteres vollzogen werden. Den mannigfaltigen Vorteilen stehen auch einige Nachteile gegenüber, die allerdings lediglich die Konstruktion der mobilen Klimaanlagen in Fahrzeugen betreffen: Eine sehr hohe Drucklage und die niedrige kritische Temperatur von 31°C sind hier herauszustellen. Die Hinwendung zu R744 musste daher zwangsläufig einen Umweg über die Prüfstände der Hersteller und ihrer Zulieferer machen.

Klimatechnik mit CO2 – So funktioniert es

Die Funktionsweise einer herkömmlichen Klimaanlage beginnt natürlich mit dem Betätigen des AC-Schalters im Fahrzeugraum. Die Magnetkupplung am Kompressor wird in der Folge mit Spannung versorgt (bei neueren Kompressoren entfällt die Magnetkupplung, der Druck wird über den Kolbenhub intern geregelt). Es wird eine Verbindung zwischen Riemenscheibe und Kompressorwelle hergestellt. Der Verdichter saugt nun das gasförmige Kältemittel an. Es wird nun verdichtet und in die Hochdruckleitung gepresst. Damit steigt allerdings auch die Temperatur des Kühlmittels. Der in der Fahrzeugfront verbaute Kondensator ist dafür zuständig, die Temperatur wieder zu senken. Dabei wechselt das Kühlmittel den Aggregatzustand von gasförmig zu flüssig. Das nun flüssige Kühlmittel wird weiter zur Trocknerflasche weitergeleitet, wo ihm Feuchtigkeit entzogen wird. Das Kältemittel wird im Anschluss durch das Expansionsventil geführt. Nach dieser Engstelle wechselt das Kühlmittel erneut den Aggregatzustand im dahinter liegenden Verdampfer. Die für diesen Wechsel benötigte Energie wird dabei der Umgebungsluft entzogen: Die Temperatur im Fahrinnenraum kühlt sich ab. Das gasförmige Kühlmittel kann jetzt wieder vom Kompressor angesaugt werden. Der Kreislauf beginnt erneut.

Dieses Kühlprinzip bleibt auch bei der Verwendung von R744 erhalten. Allerdings ändern sich die technischen Rahmenbedingungen etwas. Kohlendioxid stellt aufgrund seiner Eigenschaften andere Anforderungen an das System hinsichtlich Druck und Temperatur.

Im Vergleich zu einem herkömmlichen mobilen Kühlsystem stellt der zusätzliche innere Wärmetauscher den grössten Unterschied dar. Dieser ist nötig, weil Kälteanlagen mit CO2 mit überkritischer Wärmeabgabe oberhalb von 31°C arbeiten. Der Kühlkreislauf läuft wie folgt ab: Das Gas wird im Kompressor auf einen überkritischen Druck verdichtet. Von dort gelangt das Gas in einen Gaskühler, der im Vergleich zum herkömmlichen System die Rolle des Kondensators übernimmt. Hier wird das Gas abgekühlt. Eine Kondensation findet dabei nicht statt. Im darauf folgenden Wärmetauscher kommt es zu einer weiteren Abkühlung. Im nächsten Schritt wird das CO2 durch das Expanionsventil gepresst. Die Expansion führt das Gas in den Nassdampfbereich. Dieser Nassdampfanteil wird im Anschluss im Verdampfer verdampft – die Kühlwirkung tritt ein.

Abgesehen vom inneren Wärmetauscher und dem Gaskühler, der an die Stelle des Kondensators tritt, stellt der hohe Druck, mit dem das System arbeitet, den grössten Unterschied zu vorherigen mobilen Kühlsystem dar. Die Anforderungen an die Festigkeit aller verwendeten Bauteile steigt mit dem Druck im System. Dieser hohe Druck wirkt sich besonders auf die Konstruktion des Kompressors aus, der dadurch neu konzipiert werden muss.

Hohe Drücke erfordern leistungsstarke Messtechnik

Ein zentraler Aspekt bei der Konstruktion neuer Kompressoren stellt die sehr geringe Molekülgrösse von CO2 dar, da es schnell durch die herkömmlichen Dichtungsmaterialien diffundiert. Es braucht also eine neu konzipierte Wellenabdichtung, um einen Kälteverlust zu verhindern. Die Dichtung muss den chemischen Eigenschaften des Kühlmittels gewachsen sein und den hohen Drücken im Kompressor im Dauerbetrieb standhalten können – was in Langzeittests am Prüfstand sicherzustellen ist.

Auch das Kompressorgehäuse selbst kann nicht einfach von herkömmlichen Kühlsystemen übernommen werden. Um langfristig effizient zu arbeiten, muss es hohen Temperaturen standhalten. Die stark schwankenden Saugdrücke, die massgeblich auch die Triebraumdrücke beeinflussen, stellen ebenso eine Herausforderung dar. Auf der Hochdruckseite sind Maximaldrücke von 200 bar möglich. Aufgrund dieser Eigenschaften würde es bei herkömmlichen Kompressoren viel schneller zu Undichtigkeiten kommen als bei der Verwendung von R134a. Da heute aber eine viel genauere Fertigung der Teile als vor einigen Jahren möglich ist, kann diesem Problem beigekommen werden. Demnach ist eine konstante Überwachung der Drücke beim Prototypenbau unabdingbar.

Der hohe Druck, der bei Klimasystemen mit CO2 aufkommt, hat abgesehen von den guten Umwelteigenschaften und der im Vergleich zu R134a besseren Kälteleistung weitere Vorteile: Aufgrund der höheren Dichte von CO2 verringert sich der benötigte Bauraum bei gleicher oder gar besserer Kühlleistung gegenüber R134a. Man braucht für die gleiche Kälteleistung lediglich 13 Prozent des Volumenstroms eines R134a Kältemittelverdichters.

Die Verringerung der Grösse verstärkt auch den Ruf nach immer kleinerer Druckmesstechnik. Drucksensoren auf piezoresistiver Basis bieten sich aufgrund der Miniaturisierungsmöglichkeiten hier an, weil sie im Niedrigdruckbereich hochpräzise arbeiten und selbst bei hohen Drücken genaue Ergebnisse liefern – insbesondere bei Langzeittests. Die Drucktransmitter von STS auf piezoresistiver Basis bieten Herstellern bei der Entwicklung neuer Modelle darüber hinaus den entscheidenden Vorteil, dass die Instrumente dank ihres modularen Aufbaus schnell an neue Anforderungen unkompliziert anzupassen sind.

Die „Cool War”-Debatte erhöht den Druck

Die „Cool War”-Debatte erhöht den Druck

Nachhaltige Pkw-Klimaanlagen sind seit dem Erlass der EU-Richtlinie 2006/40/EG Gegenstand einer hitzigen und hochpolitischen Debatte. Im Mittelpunkt des auf EU-Ebene geführten Kühlmittelstreits, der den Spitznamen „Cool War” trägt, steht das nächste Kältemittel, das in Autoklimaanlagen eingesetzt werden soll.

Der Hintergrund: Die EU-Richtlinie untersagt den Einsatz des Kältemittels R134a in Pkw-Klimaanlagen ab dem 1. Januar 2017 und regelt, dass in der EU verkaufte Neuwagen in der Übergangszeit mit einem Kältemittel mit einem geringen Treibhauspotenzial ausgestattet werden müssen. Ab 2011 war die Verwendung von Kältemitteln mit einem Treibhauspotenzial von über 150 in Neufahrzeugen verboten.

Im Jahr 2007 sprachen sich die damals ad hoc ins Leben gerufene deutsch-skandinavische„Alliance for CO2 Solutions“und ihre Unterstützer sowie Wissenschaftler, NGOs und Wirtschaftsführer dafür aus, dass die Automobilindustrie chemische Verbindungen wie R134a, die zur globalen Erwärmung beitragen, mit dem natürlichen Kältemittel Kohlendioxid (CO2/R744) ersetzen solle.

Das Bündnis argumentierte, dass durch diesen Schritt der Schadstoffausstoß der Fahrzeuge um 10 % und die globalen Treibhausgasemissionen um insgesamt 1 % reduziert würden. Durch den Einsatz der CO2-Technologie auch in anderen Bereichen, wie etwa der gewerblichen und industriellen Kältetechnik sowie in Wärmepumpen für die Warmwasserbereitung etc., könnten sogar bis zu 3 % des weltweiten Treibhausgasausstoßes abgebaut werden.

Allerdings hatten auch die Gegner einer CO2-basierten Lösung gute Argumente: Ein „vollkommen natürliches“ Kältemittel wie z. B. das von Greenpeace entwickelte „Greenfreeze”, welches auf einer gereinigten Butan/Propan-Mischung (Kohlenwasserstoffkältemittel) basiert, übersteige die Wirksamkeit von Kältemitteln wie etwa R134a und könne daher bereits in kleinen Mengen effizient eingesetzt werden.

Außerdem müssten Anlagen bei der Verwendung von reinen Kohlenwasserstoffkältemitteln, die sogar mit den bis 1998 zulässigenFreon-gekühlten Autoklimaanlagen „abwärtskompatibel” sind, einfachnur umgebaut werden, wodurch ihre Effizienz gesteigert und eine weitere Freisetzung von schädlichem R134a und R12 (Freon) in die Atmosphäre verhindert würde.

Im Gegensatz dazu müssen Pkw-Klimaanlagen, bei denen R744 eingesetzt wird, komplett neu konzipiert werden, um einem Druck jenseits von 100 bar standzuhalten. Vorhandene Systembauteile wie Dichtungen, Schläuche, Ventile und sogar Kompressoren wurden nicht für den Einsatz unter solchen Bedingungen entwickelt.

Glücklicherweise gibt es eine weitere Alternative: Als Antwort auf die 2006 erlassene Richtlinie entwickelten die US-Chemiekonzerne DuPont und Honeywell gemeinsam das Kältemittel 2,3,3,3-Tetrafluorpropen oder auch HFO-1234yf (R1234yf). Es handelt sich dabei um die aktuell einzige marktreife Alternative zu R134a (Stand 11/2016).

R1234yf erfüllt das vorgeschriebene Treibhauspotenzial von maximal 150 problemlos. Zudem beträgt seine mittlere atmosphärische Lebensdauer circa elf Tage; die Berechnung des CO2-Äquivalents (die mittlere Erwärmungswirkung eines Stoffs in der Regel über einen 100-Jahre-Zeitraum im Vergleich zu Kohlendioxid) anhand des sogenannten „Life Cycle Climate Performance“-Modells bescheinigte, dass es sich um „das nachhaltigste Kältemittel für den weltweiten Einsatz“ handelt. Das Berechnungsmodel wurde von der US-Umweltbehörde EPA abgesegnet.

Jedoch machte sich nach der Einführung von R1234yf schnell eine wachsende Besorgnis bezüglich seiner Entflammbarkeit breit, welche sich im Jahr 2012 bestätigte: Bei einem Test von Mercedes-Benz im Herbst 2012 ging das Kältemittel im Motorraum in Flammen auf. Danach setzte der Stuttgarter Autobauer in der Entwicklung auf das nicht brennbare R744 und weigerte sich jahrelang ausdrücklich, R1234yf einzusetzen. Mit Billigung des Kraftfahrbundesamtes wurde weiterhin das klimaschädlichere R134a verwendet, was die EU-Kommission im Januar 2014 veranlasste, gegen die Bundesregierung ein Verfahren wegen der Verletzung von EU-Recht einzuleiten.

Inzwischen hat Daimler eingelenkt und benutzt das Honeywell-Dupont-Kältemittel wieder; um das Brandrisiko zu minimieren, bauen die Stuttgarter ein eigens entwickeltes „Kühlsystem” ein, welches erhitzte Teile im Motorraum bei einer durch einen Unfall ausgelösten Evakuierung der Klimaanlage mit dem Edelgas Argon herunterkühlt. Mit der nennenswerten Ausnahme der E- und S-Klasse wird in allen Neufahrzeugen von Mercedes-Benz ab Januar 2017 das umstrittene R1234yf eingesetzt: Die E- und S-Klasse werden hingegen als erste Serienfahrzeuge mit Klimaanlagen ausgestattet, die CO2 als Kühlmittel verwenden.

Neben der Entwicklungsdauer sind die Kosten für die Überarbeitung der kompletten Systeme sowie der Zeitaufwand für ausführliche Testreihen weitere Gründe, warum zunächst nur die obere Mittelklasse und die Oberklasse mit CO2-Klimaanlagen ausgestattet werden.

Aufgrund des in der Anlage bestehenden extrem hohen Systemdrucks und dem Erfordernis einer optimierten Anordnung der Bauteile im Motorraum musste das System komplett neu aufgesetzt werden. Besondere Aufmerksamkeit galt dabei der Leistungsfähigkeit von Kondensator, Verdampfer, Rohren, Schläuchen und Dichtungen bei einem deutlich erhöhten Betriebsdruck.

Während der Entwicklung war die genaue Messung des Leitungsdrucks mit Drucktransmittern an kritischen Stellen in der Klimaanlage von entscheidender Bedeutung, um die Integrität des Systems sicherzustellen; ein Druckabfall gäbe einen ersten Hinweis auf das Versagen eines Bauteils wie z. B. einer Dichtung. Ein solches Versagen würde die Neukonstruktion der Anlage erforderlich machen. Die genaue Messung des Druckverlusts durch den Verdampfer war auch wichtig, um die Designparameter und das Leistungsverhalten der Komponente(n) zu überprüfen.

Da die meisten Systembauteile im Zuge der Neukonzeption der Klimaanlage jedoch stark geschrumpft sind, war absehbar, dass sich die Platzierung eines Drucksensors an genau der richtigen Stelle schwierig gestalten würde. Nichtsdestotrotz konnte das Problem durch den Einsatz von qualitativ hochwertigen piezoresistiven Drucksensoren in der Entwicklungsphase schnell behoben werden und das Projekt rechtzeitig zur Markteinführung im Januar 2017 abgeschlossen werden.